Aleksandra: Morbus Crohn

Einführungstext: Petra Müller
Erfahrungsbericht: Aleksandra
Foto: Elvis Hadzic

Letzten August erhielten wir Post von Aleksandra. Sie hatte via Lukas Fingerle von FOOD MOVEMENT erfahren und erkundigte sich, ob sie einen Gastbeitrag für uns schreiben und von ihren persönlichen Erfahrungen mit Morbus Crohn erzählen dürfe. Das ist genau unsere Lieblingspost! Erfahrungsberichte bilden das Herzstück von FOOD MOVEMENT. Vorbilder können lebensverändernd sein. Auch ich habe dank Erfahrungsberichten von anderen Menschen die Energie und den Mut aufgebracht, meine Ernährung auf anti-entzündlich umzustellen und grossartige Verbesserungen meiner Beschwerden und meines Lebens zu erfahren.

Letzte Woche haben es Aleksandra und ich dann geschafft, miteinander zu skypen. Das Gespräch mit Aleksandra war die reine Freude: Eine sympathische, spannende, reflektierte und intelligente junge Frau. Wenn der Akku meines Laptops nicht leer gewesen wäre, hätten wir wohl länger als eine Stunde miteinander gesprochen.

Was mich besonders bedrückte war der Fact, dass auch Aleksandra Besuche bei ihrem Spezialisten meidet. Ich kenne das nur zu gut. Immer noch zeigen SchulmedizinerInnen deutliches Desinteresse gegenüber „alternativen“ Ansätzen wie einer Ernährungsumstellung. Mich macht dieser Fakt richtiggehend wütend und traurig – insbesondere, wenn man deutliche Verbesserungen aufgrund einer spezifischen Ernährung vorweisen kann.

Wir hoffen inständig, dass sich ein ganzheitlicher Ansatz wie die Functional Medicine auch in Europa verbreiten wird, sodass wir PatientInnen uns von Ärztinnen und Ärzten mit einem holistischen Ansatz behandeln lassen können. Bis es soweit ist, können wir nur empfehlen, sich nebst der hierzulande klassischen Behandlung auch an NaturheilpraktikerInnen zu wenden, die keine Scheu vor der Schulmedizin haben und möglichst Hand in Hand mit ihr arbeiten. Ein Nebeneinander ist durchaus möglich, wie dies beispielsweise das Institut für integrative Naturheilkunde in Zürich oder die Paramed in Baar bereits praktiziert.

Da wir den Sitz in der Schweiz haben, wären wir sehr interessiert an Instituten in Deutschland und in Österreich, wo ein ganzhetilicher Ansatz ebenfalls schon Norm ist. Liebe Leserschaft unserer Nachbarländer, meldet euch gerne bei uns, falls ihr Empfehlungen habt!

Ganz lieben Dank an dich, Aleksandra, für deinen wertvollen Beitrag. Und weiterhin von Herzen alles Gute auf deinem Genesungsweg! We will keep in touch!

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Mein Patentrezept für eine Ernährungsumstellung? Learning by Doing!

Im November werde ich dreißig und habe mehr als die Hälfte meines Lebens mit Verdauungsbeschwerden und Bauchschmerzen zu tun gehabt. Mit ungefähr 12 oder 13 Jahren wurde bei mir eine Laktoseintoleranz festgestellt, irgendwann bekam ich einen Reizdarm diagnostiziert und 2012 dann die Diagnose Morbus Crohn.

Seit ungefähr zehn Jahren versuche ich, das Mysterium meiner Beschwerden zu verstehen. Ich war schon immer überzeugt davon, dass die Ernährung eine große Rolle spielt. Ich dachte, neben der Laktoseintoleranz weitere Unverträglichkeiten zu haben – die Tests waren alle negativ, und auch wenn ich abwechselnd Gluten, Fruktose, Zucker und/oder Milch und viele weitere Lebensmittel mied, ging es mir nicht besser. Heute weiß ich, dass es eine Kombination aus vielen Lebensmittelgruppen ist und nicht nur eine bestimmte. Von meinen Ärzten bekam ich keine Ernährungstipps. Als der Morbus Crohn festgestellt wurde, dachte ich, jetzt kann man mir endlich richtig helfen. Ich habe ich mich auf die Mediziner verlassen, aber schnell gemerkt, dass ich selbst weiterhin aktiv nach einer Lösung suchen muss (meine ausführliche Geschichte kannst du auf meinem Blog nachlesen).

Aber wer sucht, der findet, und so entdeckte ich im Frühling 2014 die „Spezielle Kohlehydrat-Diät“ (kurz SCD von Specific Carbohydrate Diet). Die SCD ist in den USA schon lange bekannt. Dort empfehlen Ärzte sie ihren Patienten weiter, es gibt Ernährungsberater, die sich mit der SCD auskennen, und sogar eine Klinik in Seattle, die die SCD als Therapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen einsetzt. Aber im deutschsprachigen Raum sind die Ärzte skeptisch, die Ernährungsberater kennen sie nicht und professionelle Hilfe und Unterstützung bei der Umsetzung sucht man hier vergeblich.

Wie setzt du also eine so strikte Ernährung um? Wie findest du heraus, ob das auch wirklich was für dich ist? Mein erstes Jahr mit der SCD ist nun rum und ich möchte berichten, wie ich vorgegangen bin. Ich fühle mich sehr gut und vermisse die „normale“ Ernährung überhaupt nicht mehr.

Viel Motivation, aber kein Plan und wenig Ahnung
Der Startschuss für meine Ernährungsumstellung fiel am 5. Oktober 2015. Spontan und ohne großen Plan, aber mit viel Motivation. In der Zeit davor fühlte ich mich unwohl und schlecht und litt unter starken Bauchschmerzen. Bevor ich meinen Gastro aufsuchen wollte (zu dem ich kein großes Vertrauen habe), wollte ich der SCD eine Chance geben. Wenn es mit der Diät nicht klappen sollte, dann würde ich zum Arzt gehen und weitere Schritte von ihm einleiten lassen.

Das Buch über die SCD hatte ich sicher ein halbes Jahr davor bestellt. Mit der Theorie zur Diät hatte ich mich bis zu dem Zeitpunkt kaum beschäftigt, mir waren die Rezepte wichtiger. Für den Anfang meiner Ernährungsumstellung machte ich mir eine Hühnerbrühe und das Mandelbrot. Und siehe da: Das Mandelbrot schien mir überhaupt nicht zu bekommen. Wie kann das denn sein, fragte ich mich. Mandeln sind doch bei der SCD erlaubt.

Nur weil etwas erlaubt ist, heißt es nicht, dass du es auch verträgst
Zu Beginn meiner Ernährungsumstellung war ich dem Fehler aufgesessen zu denken, ich dürfe nun alles essen, was bei der SCD zu den erlaubten Lebensmitteln gehört: Nüsse, den SCD-Joghurt, alle erlaubten Käsesorten, alle erlaubten Gemüse- und Obstarten. Einfach Brot, Gluten, Milchprodukte, Reis, Kartoffeln und Zucker streichen und gut ist’s.

Ganz so einfach ist es leider nicht. Monate später fand ich erst richtig heraus, welche Lebensmittel mein Bauch gut verdauen kann und mit welchen er immer wieder Probleme hat.

Cheat Days
Da ich ein sehr spontaner Mensch bin, mag ich es nicht, viel zu planen. Mein Motto lautet Learning by Doing. Die Ernährungsumstellung ging ich etwas naiv an. Mir war nicht bewusst, wie sehr ich meinen Alltag ändern musste, um mit der SCD gut durch den Arbeitstag zu kommen und nicht bei all den Versuchungen unterwegs und in der Kantine oder bei Freunden schwach zu werden. Ich hatte mir nicht überlegt, wie ich das mit dem Kochen genau regeln wollte. Außerdem dachte ich, ein oder zwei Mal in der Woche wird ein sogenannter Cheat Day oder eine Schummelmahlzeit schon möglich sein. Nahrung und Essen waren für mich ein notwendiges Muss, etwas, das ich schnell nebenbei erledigte und kaum genoss. Deswegen wollte ich mir nicht so viele Gedanken übers Essen machen und verdrängte die Tatsache, dass da sehr viel Arbeit auf mich zukommt, wenn ich das routiniert und auf Dauer machen wollte.

Bis kurz vor Weihnachten ging meine Taktik eigentlich auf. Ich hatte Glück, dass ich trotz dieser „Ausrutscher“ noch immer eine deutliche Besserung meiner Symptome spürte und mich mein Bauch nicht allzu sehr mit Schmerzen bestrafte. Aber dann machte ich mit meinem Mann einen Kurzurlaub. In dem Hotel gab ich mich dem Essen voll und ganz hin. Ich achtete nicht auf die SCD-Richtlinien und informierte auch nicht das Personal, dass ich eventuell besondere Bedürfnisse hätte, was das Essen angeht. Schließlich war ich doch im Urlaub. Doch die Quittung kam bereits nach kürzester Zeit: Stechende Bauchkrämpfe, das Gefühl, ständig aufs Klo zu müssen, breiiger Stuhl, Lüfte, Blähbauch und stundenlange Bauchschmerzen, die nicht nach einem oder zwei Tagen wieder weg waren.

Anfang Januar 2016 ging ich dann doch zu meinem Gastroenterologen, um ihm von meinem Versuch mit der SCD zu berichten. Ich wollte, dass er mich abcheckt (Entzündungswerte, Blutwerte, etc.). Zu der Diät stellte er mir keine einzige Frage, er schrieb sich aber zumindest den Namen des Buches auf und riet mir nicht davon ab. Ich solle die Diät ein paar Tagen strikt einhalten. Sollte es mir nicht besser gehen, könne ich wieder kommen. Weitere medizinische Untersuchungen fanden nicht statt.

An dem Punkt erkannte ich, dass ich bei meinem Morbus Crohn keine Cheat Days einbauen kann, denn die Krankheit nimmt sich auch keine Auszeit. 100% SCD und sonst nichts. Ich hatte seit diesem Erlebnis doch noch ein paar Schummelmahlzeiten, aber ich konnte mich immer wieder davon überzeugen, dass die darauf folgenden Beschwerden das einfach nicht wert sind. Das Verlangen nach Pasta, Pizza, Brot, Süßem usw. nimmt mit der Zeit immer mehr ab, vor allem, wenn du siehst, wie gut es dir ohne diese Lebensmittel geht.

Intro-Diät: Nach ein paar Monaten fing ich wieder ganz von vorne an
Ende Februar 2016 kaufte ich mir das Buch von Steven und Jordan von SCDLifestyle.com. Dort las ich das erste Mal ausführlich, wie wichtig die Intro-Diät, also der richtige Anfang bei der SCD, ist. (Dieses Prinzip lässt sich auch auf andere Ernährungsumstellungen anwenden).

Obwohl es mir zu dem Zeitpunkt schon recht gut ging, war ich neugierig, ob diese Herangehensweise eine große Änderung bringen würde. Ich hatte bei meinem Start mit der SCD keinen Übergang gemacht, sondern nur die verbotenen durch die erlaubten SCD-Lebensmittel ersetzt. Das führte schon zu einer erstaunlichen Besserung. Kann es mir denn noch besser gehen, frage ich mich.

Ja, es kann! Ich machte die Intro-Diät für zwei Tage und fügte danach langsam ein Lebensmittel nach dem anderen wieder hinzu. Mein Fazit: Dieser Schritt ist wichtig und sollte nicht ausgelassen werden! Erst durch die Intro-Diät konnte sich mein Darm einmal komplett reinigen und hatte die Möglichkeit, von vorne anzufangen und zu heilen. Es war wie ein Reset. Und erst durch das langsame Wiederhinzufügen von Lebensmitteln weiß ich heute, welche ich gut vertrage und welche ich eher meiden sollte.

Planung gehört (leider) dazu
Ich merkte bald, dass es ohne Planung schwer und stressig ist, diese Diät einzuhalten. Sich jeden Tag aufs Neue zu überlegen, was man kochen und essen will, kann frustrierend, demotivierend und nervig sein. Also musste ich beim Ausgehen, bei Einladungen und bei Ausflügen vorsorgen. Die mir ach so verhasste Planung ist seit einigen Monaten ein fester Bestandteil meines Lebens geworden.

Ich erstelle einmal die Woche einen Essensplan, der mir auch die Einkaufsorganisation erleichtert und Zeit und Geld spart. Wenn ich auf Reisen gehe oder Ausflüge mache, überlege ich, wie viel Essen ich benötige. In diesem Jahr bin ich nach Kanada geflogen und machte zwei lange Autoreisen (jeweils 11 und 13 Stunden in einer Richtung). Das geht nicht ohne Planung, sonst kaufst du dir vor lauter Hunger das erstbeste Sandwich, das du siehst.

Die meisten meiner Freunde, Verwandten und Bekannten wissen über meine spezielle Ernährungsweise Bescheid. Werde ich zu Feiern eingeladen und die Gastgeber wissen noch nichts davon, greife ich zum Telefon um abzuklären, was es zum Essen geben wird. Wenn gewünscht, bringe ich auch mein eigenes Essen mit. Auswärtsessen ist schwierig, aber auch machbar, indem man sich vorher die Speisekarte eines Restaurants anschaut und eventuell umdisponiert, wenn es überhaupt nichts Geeignetes gibt.

Solltest du deine Ernährung umstellen wollen, dann…
Überlege dir, wie du an die Ernährungsumstellung herangehen willst. Ich werde wohl immer ein Learning-by-Doing-Typ bleiben – egal, was ich in Zukunft anpacke. Der Vorteil an dieser Methode ist, dass ich mich oft ziemlich sorglos und spontan in Neues stürze und die in dem Moment überschießende Motivation nutze. Nachteilig ist, dass man auch kostbare Zeit durchs Nachjustieren verlieren kann, wenn man nicht alle Aspekte kennt und es nicht von Anfang an „richtig“ macht.

Daher empfehle ich, sich bei einer Ernährungsumstellung gut zu informieren und sich bewusst zu machen, dass die Umstellung alles beeinflussen wird – von Freunde treffen über Essen gehen bis hin zum Reisen und welches Hotel man sich aussucht. Sich vorab zu überlegen, wie man das mit dem Kochen handhaben möchte, kann auch nicht schaden.

Die Routine und Erfahrung mit der neuen Ernährung kommt mit der Zeit. Außerdem kann ich noch folgende Erkenntnisse weitergeben:

– Sei geduldig und verständnisvoll – mit dir selbst und mit anderen, die nicht verstehen können, dass du auf all das „gute“ Essen verzichtest, die immer wieder nachfragen müssen, was du essen darfst und was nicht oder dir doch etwas vom Brot, Kuchen oder der Pizza anbieten. Die meisten Leute meinen es gut mit dir.

– Bleib zuversichtlich, auch bei Rückschlägen, demotivierenden Aussagen und Unverständnis anderer. Lass dich davon nicht beirren.

– Gehe langsam vor. Lass dir Zeit, dich an den neuen Alltag zu gewöhnen. Erwarte nicht zu viel auf einmal. Feiere die kleinen und großen Erfolge.

– Verzeihe dir, wenn du in alte Muster verfällst oder einen Moment der Schwäche hast.

– Finde Webseiten, lies Bücher und schließe dich Foren oder Gruppen in den Sozialnetzwerken an, die sich um die neue Ernährungsweise drehen. Dort bekommst du Tipps und Unterstützung.

– Gehe offen mit deiner Erkrankung und deiner neuen Ernährung um. Die meisten Leute werden Interesse zeigen und auf dich Rücksicht nehmen, wenn sie wissen, was los ist.

– Habe den Mut zur schonungslosen Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis. Wie gehst du mit dir und mit anderen um? Wie trägt dein Lebensstil dazu bei, dass deine chronische Krankheit immer wieder aufflackert? Neben der Ernährung spielen auch andere Faktoren eine Rolle.

Wie geht es weiter?
Mein Morbus Crohn ist für mich eine Chance und kein Hindernis. In diesem letzten Jahr habe ich gelernt, bewusster zu leben, auf die Signale meines Körpers zu hören, mit Bedacht das Essen auszuwählen und es mehr zu genießen. Die SCD ist und bleibt ein fester Bestandteil meiner neuen Lebensweise. Außerdem habe ich durch Selbstbeobachtung gemerkt, wie stark Psyche und Stress auf meine Verdauung Einfluss nehmen.

Da ich nun ziemlich routiniert bin, was die Ernährung angeht, richte ich mein Augenmerk verstärkt auf mein seelisches Wohlbefinden. Ich kombiniere Meditation, Achtsamkeitsübungen, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und positive Affirmationen, um mit dem Alltag und Stress besser umzugehen.

Höre auf deinen Körper – und nicht auf andere
Medikamente sind wichtig und es ist gut, dass es sie gibt. Ich möchte sie nicht verteufeln und mit diesem Beitrag und mit meinem Blog auch nicht dazu aufrufen, alle Medikamente von heute auf morgen abzusetzen. Dieser Schritt kann nur in Absprache mit deinem Arzt erfolgen. Wenn du aber tief in dir drinnen weißt, dass diese Tabletten nicht alles sein können und du einen zusätzlichen oder alternativen Weg suchst, dann wirst du diesen auch finden.

Für mich führt der Weg zur Heilung über einen ganzheitlichen Ansatz aus Ernährung, Entspannung und Medikamenten (die ich im Moment nicht nehmen muss). Dieser Ansatz fehlte mir bei den Ärzten, die mich bisher behandelt haben, deswegen bin ich meinen eigenen Weg gegangen.

Als ich mit dem SCD-Blog online ging und meine ersten Beiträge über Twitter promotete, bekam ich von einem deutschen Ärzteteam einen Tweet, dass die SCD nicht wirke. Belege für diese Aussage konnten oder wollten sie mir nicht liefern, und zu einer Diskussion waren sie auch nicht bereit. In meinem engsten Familienkreis sagte man mir, dass ich diese Ernährungsumstellung auf Dauer nicht durchhalten würde. Höre nicht auf solche Menschen, denn sie drücken damit nur aus, wo ihre eigenen Grenzen liegen. Du bist die einzige Person, die in deinem Körper steckt, und du weißt am besten, was dir gut tut. Finde und gehe deinen ganz persönlichen Weg zur Heilung.

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