HEALTHY FRIDAY // RELAX: Achtsamkeit im Alltag

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Einführungstext: Petra Müller
Text & Bild: Beatrice Knechtle

Es ist wie verzaubert. Immer wieder werde ich auf spannende Menschen aufmerksam gemacht, oder sie laufen mir quasi über den Weg, um Interessantes beizutragen für FOOD MOVEMENT.

So wollte es erneut der „Zufall“, dass die Patentante eines ehemaligen Arbeitskollegen sich als spannende und sympathische Expertin für Achtsamkeit und Meditation entpuppte. Der junge Arbeitskollege erzählte ihr von mir und meinen Projekten sowie erwähnte mir gegenüber, dass ich eventuell Kontakt mit seiner Gotte aufnehmen möge. Aber sicher doch!

Als Beatrice Knechtle, die seit 15 Jahren eine Praxis für achtsamkeitsbasierte Gesprächs- und Körpertherapie in St. Gallen führt, dann das Telefon abnahm, ging sofort die Post ab. Es fühlte sich an, als ob wir uns schon irgendwie kennen würden. Wer sich jetzt vorstellt, dass eine Therapeutin mit buddhistischem Hintergrund langsam und bedächtig sprechend und etwas weltfremd durch den Alltag schwebt, der täuscht sich – zumindest bei Beatrice – gewaltig. Geerdeter und weltlicher könnte sie gar nicht sein. Und lustig, schnell und direkt! Eine Wohltat.

Beatrice war sofort mit im Boot, einen Beitrag über Achtsamkeit für unser Magazin zu schreiben. Kürzlich hatte ich das Vergnügen, Beatrice bei einem Tee persönlich kennenzulernen. Nachdem wir über eine Stunde erzählt, ausgetauscht und viel gelacht hatten, lud ich Beatrice spontan zum geplanten Nachtessen bei meiner besten Freundin ein (die glücklicherweise einverstanden war, einen ihr fremden Gast bei sich zuhause zu empfangen). Daraus wurde einer der schönsten Abende seit langem, mit drei total unterschiedlichen Frauen und Lebensgeschichten. To be continued!

Wir freuen uns, dass wir euch heute den interessanten Beitrag von Beatrice über Achtsamkeit im Alltag zeigen dürfen. Schon nach dem ersten Durchlesen hatte sie mich: Noch am selben Abend lagen meine Hände mit schönen Gedanken wie selbstverständlich zuerst auf meinem Bauch, dann auf meinem Herzen. Aber lest selbst.

Ganz herzlichen Dank für den schönen Text, liebe Beatrice. Auf dass es möglichst vielen Leserinnen und Lesern so geht wie mir: Deine Tipps sind bei mir zur sofortigen Umsetzung gelangt, und sie erfüllen mich mit grosser Genugtuung.

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5 Dinge, die du wissen musst, um aus einem Healthy Friday einen lebensverändernden zu machen:

1. Merke, was abgeht
2. Übe dich in Unterscheidungsvermögen
3. Wähle das, was dich wirklich nährt
4. Verweile, bade, füll dich damit auf
5. Handle beherzt

1. Merke, was abgeht
„Die Tage sind lang, aber die Jahre sind kurz“ (Gretchen Rubin). Wie bringe ich nicht nur Qualität in meine Tage, sondern auch eine Richtung in meine Jahre, auf die ich einst gerne zurückblicken werde? Oder anders gefragt: Wie kann aus einem Healthy Friday ein Healthy Everyday werden?

Dies nicht im Sinne von endloser Selbstoptimierung, sondern einem tieferen Verständnis, was mich und andere wirklich nährt und uns darüber hinaus hilft, an herausfordernden Zeiten reifen zu können.

Dafür brauchen wir im Minimum drei Ingredienzen: Achtsamkeit, Unterscheidungsvermögen und Kultivierung dessen, was uns nährt und stärkt.

Beginnen wir ganz praktisch mit der Achtsamkeit:
Achtsamkeit auf einem Foodblog? Ein wunderbar alltagstauglicher Einstieg, denn Essen wie Trinken sind eine der zugänglichsten Einladungen an unsere fünf Sinne, um uns auf einen Schlag in den gegenwärtigen Moment zu katapultieren.

Also, Vorschlag: Nutze die ersten Momente einer Mahlzeit, um bewusst riechen, schmecken, berühren, betrachten, hören, was da alles abgeht….verbinde dich so mit dir und dem gegenwärtigen Moment. Und denke darüber hinaus einen Moment nach was es alles braucht, damit du dieses Essen vor dir hast: Natur, Menschen, Wissen, Tradition, Kultur…wow.
Unendliche Vernetzungen, Abhängigkeiten. Ein Moment der Dankbarkeit!

2. Übe dich in Unterscheidungsvermögen
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns wohl, zufrieden oder vielleicht gar glücklich fühlen, steht in direktem Zusammenhang mit unserer Fähigkeit, präsent zu sein.

Wir wissen dies aus eigener Erfahrung, die Wissenschaft bestätigt es – und weist uns darauf hin, dass uns ebendies mindestens zur Hälfte unserer Lebenszeit nicht gelingt, weil unser Geist wandert, super ablenkbar ist. Klar, dies ist eine seiner Funktionen: Zu merken, zu vernetzen, neue Informationen aufzunehmen….nur: Rede ich da ein Wörtchen mit? Oder macht es schlicht mit mir?

Zudem ist es nützlich, um folgendes zu wissen: Unser Hirn ist um des Überlebens willen drei Mal empfänglicher für schlechte Nachrichten wie für gute. Oder, um es bildlich auszudrücken, „wie Klett für Negatives, wie Teflon für Positives“ (Rick Hanson). Man spricht da auch von der „negativen Verzerrung“ unserer Wahrnehmung.

Und wie war das schon wieder, wir möchten doch gerne offen durchs Leben gehen, keinen Vorurteilen aufsitzen, einen klaren Geist haben, bei Herausforderungen möglichst schnell wieder kreativ und lösungsorientiert vernetzen, uns entspannen können und – last but not least – mitfühlend sein, gegenüber anderen wie auch uns selber.

Damit kommen wir zu einer zweiten Funktion der Achtsamkeit: Es kann nicht nur darum gehen, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein, sondern wir müssen uns auch in Unterscheidungsvermögen üben.

Praktisch heisst das: Dort, wo ich die Wahl habe, nutze ich sie auch. Beim Essen, Einkaufen, Fernsehen, Lesen, Musik hören, im Umgang mit ArbeitskollegInnen, Familie und Freunden: Untersuche Deine Gewohnheiten, Deinen Alltag. Womit will ich mich umgeben, verbinden, nähren – über alle fünf Sinne und über meinen Geist? Was tut mir und anderen gut, was stärkt, ermutigt, beschwingt, erheitert, fördert Weitsicht, Verstehen, Mitgefühl und Tatkraft?

3. Wähle das, was dich wirklich nährt
Die frohe Botschaft der Neuroplastizität – der strukturellen und funktionellen Anpassungsfähigkeit des Gehirns – ist zugleich Aufforderung wie Ermunterung, unser Denken, Fühlen und unsere Erfahrungen aktiv mitzugestalten.

Im Wissen um die „negative Verzerrung“ gilt es, insbesondere positiven Momenten, Erfahrungen und Ressourcen unsere besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Dies nicht im Sinne von Schönfärberei, Verdrängung oder Verniedlichung, sondern ganz im Gegenteil: Um die Kraft zu haben, das Schwierige, Ungerechte, scheinbar Unerträgliche zu bewältigen und konstruktiv anzugehen bedarf es Resilienz. Diese seelische Kraft, um an Krisen oder Unveränderlichem nicht zu brechen, angemessenere Sichtweisen zu entdecken und zu wachsen, kann bewusst aufgebaut und gestärkt werden.

4. Verweile, bade, füll dich damit auf
Und nun zum Rezept, aus einem Healthy Friday einen Healthy Everyday zu machen:

Bemerke, wenn etwas gut tut, etwas gelungen ist, sich angenehm anfühlt, etwas schön ist, klingt, riecht, schmeckt, dein Herz berührt.

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt:

Nimm es gefühlt wahr, und lass diese positive Resonanz sich weiten in dir, in deinem ganzen Wesen, bade dich gleichermassen darin, lade dich auf damit. Verweile bewusst 20, 30 Sekunden in dieser Empfindung, lass sie einsinken, entspanne dich in sie hinein – atme aus.

Ja, so einfach ist das. Mit der selbstgesteuerten positiven Neuroplastizität und der dadurch gestärkten Resilienz.

5. Handle beherzt
Jeden Tag verändern nicht nur wir uns, sondern auch unsere Kultur, unsere Organisationen, unsere Gesellschaft. Bin ich grosszügiger, klarer, verlässlicher, selbstsicherer, freudvoller geworden in den vergangenen fünf Jahren?

Selbst-Mitgefühl, Mitgefühl für andere und beherztes Handeln bedingen sich gegenseitig. Und ich kann jeden Moment stoppen und neu anfangen, dem Leben eine Richtung geben. Ist das nicht fantastisch?!

Übungsvorschlag zum Einstieg:
Beim Aufwachen wie kurz vor dem Einschlafen – in diesen Art Zwischenzuständen zwischen dir und der Welt – ist dein Geist und Gehirn besonders aufnahmefähig. Nutze diese Momente, um bewusst bei dir anzukommen. Lege deine Hände auf den Unterbauch. Atme tief ein und vor allem entspannt und lange aus. Dann lege deine Hände auf Deine Herzregion und verbinde dich innerlich mit dem, was dich nährt, stützt, beglückt, mit Dankbarkeit erfüllt. Lächle dir innerlich zu. Lass dieses Lächeln sich in deinen Gesichtszügen manifestieren. Einfach so.

Wer noch mehr antesten oder sich vertiefen möchte (eine sehr eigenwillige Auswahl im Dschungel toller Möglichkeiten):

www.headspace.com
Diese App bringt auf intelligente wie witzige Art den Einstieg in Meditation auf den Punkt. 10 x 10 Minuten kostenlos, ohne weitere Verpflichtungen.

www.onemomentmeditation.com
Eine App für alle, die hie und da eine Minute Zeit zum Meditieren haben (möchten).

www.rickhanson.net
Rick Hanson ist eine Inspirationsquelle zur praktischen Umsetzung neurologischer Erkenntnisse und vielem mehr! Auch sein Podcast ist empfehlenswert: Being Well Podcast with Dr. Rick Hanson.

www.gretchenrubin.com
Quirlige, sehr amerikanische, aber nichtsdestotrotz Fundgrube an praktischen Glücksverstärkern, auch da gibt’s einen leichtfüssigen Podcast.

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Beatrice Knechtle
Achtsamkeit – Therapie – Meditation