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Epilepsie – gesünder durch viel Fett

Text: Julia Franke, Geschäftsführerin der Schweizerischen Epilepsie-Liga
Foto: iStockphoto

Fett ist zwar ein wichtiger Teil unserer Ernährung, aber vier Fünftel davon? Bei schweren Epilepsien kann das sinnvoll sein – doch nicht einfach auf eigene Faust.
Eine Mini-Quiche mit ein paar Röschen Broccoli und einem ordentlichen Klacks Sauce hollandaise, der Teig besteht aus zwei Esslöffeln eines speziellen fettreichen Pulvers, einem halben Ei, je einem Esslöffel Öl und Wasser sowie ein paar Körnchen Mehl. Richtig gesund tönt das nicht. „Bei der ketogenen Diät ist das Verhältnis von Fett zu allem anderen, das heisst Eiweiss und Kohlehydrate, 3 zu 1 oder sogar 4 zu 1“, sagt Dr. Judith Kröll, die an der Klinik Lengg in Zürich viel Erfahrung mit dieser Therapie gemacht hat. „Aufs Gramm genau“, fügt sie hinzu, „denn mindestens bei Kindern sollte der Eiweissanteil weder zu tief noch zu hoch sein“.

Wer tut sich oder seinem Kind das an? Bei Epilepsie gehört Fasten zu den ältesten Behandlungsmethoden. Heute gibt es Medikamente – doch bei einem Drittel aller Betroffenen helfen sie kaum.

Die ketogene Ernährung ahmt den Zustand des Fastens nach: In der Leber entstehen beim Abbau des vielen Fetts sogenannte Ketonkörper, denen die Diät ihren Namen verdankt. Diese liefern dem Gehirn Energie, wenn es nicht mit Zucker versorgt wird. Nebenprodukt ist ein süsslich-fauliger Mundgeruch. „Wir können riechen, wer seine Diät konsequent einhält“, erzählt Kröll.

Wirkung rätselhaft, doch erwiesen
Warum die Ketonkörper epileptische Anfälle verhindern, ist immer noch nicht restlos erforscht. Doch wissenschaftliche Studien beweisen, dass die Diät hilft: Rund zwei Drittel aller Betroffenen profitieren spürbar. „Gut zehn Prozent haben gar keine Anfälle mehr“, sagt Kröll, „etwa ein Drittel hat 90 Prozent weniger Anfälle“.

Judith Kröll ist Kinderärztin und hat sich auf Epilepsie spezialisiert. Die ketogene Diät ist auch für Erwachsene möglich – „sie müssen aber sehr motiviert und diszipliniert sein“, sagt Kröll. Meist weicht man in diesen Fällen auf die modifizierte Atkins-Diät aus, die „nur“ das Essen von Kohlehydraten begrenzt.

Auch bei Kindern ist das konsequente Durchhalten für beide Seiten nicht leicht. „Ausnahmen sind nicht erlaubt“, sagt Kröll. „Das fällt manchmal schwer, zum Beispiel wenn Kinder auf einen Geburtstag eingeladen sind.“ Trotzdem sind die meisten Eltern von schwer epilepsiebetroffenen Kindern dankbar für die Diät. „Endlich können sie selbst etwas machen, um ihrem Kind zu helfen.“

Aufwändige Vorbereitungen
Es ist keine Diät, bei der man einfach loslegt: Vor dem Beginn stehen etliche medizinische Untersuchungen. „Nicht jeder verträgt so viel Fett – man muss z. B. seltene Stoffwechselerkrankungen ausschliessen, bei denen die Leber das viele Fett nicht verarbeiten kann“, sagt Kröll. In der Einleitungsphase der Diät sollte regelmässig der Blutzucker kontrolliert werden, denn es kann zu einer Unterzuckerung kommen. Vitamine gibt es separat als Tabletten. Trotzdem muss etwa jeder zehnte die Diät aus medizinischen Gründen wieder abbrechen.

„Wir empfehlen für den Anfang einen stationären Aufenthalt“, sagt Kröll, „weil wir dann viel enger zusammenarbeiten und alles zeigen können.“ Zu den Nebenwirkungen gehören Erbrechen, aber auch ein verlangsamtes Wachstum bei Kindern. Spricht das Kind auf die Diät an, sollte man sie rund zwei Jahre durchhalten. „Im besten Fall hält der Effekt danach weiter an.“

Webcast mit Dr. Judith Kröll zum Thema:
https://portal.klewel.com/watch/webcast/neuigkeiten-zur-epilepsiebehandlung/talk/3

Informationsflyer „Ketogene Diäten“ der Epilepsie-Liga:
www.epi.ch/ketogen

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70‘000 – 80’000 Menschen leben in der Schweiz mit Epilepsie, 15‘000 – 20’000 davon sind Kinder.
Die Schweizerische Epilepsie-Liga ist eine gesamtschweizerisch tätige Fachorganisation und zugleich Schweizer Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie (International League Against Epilepsy ILAE).

Die Epilepsie-Liga forscht, hilft und informiert. Ihr Ziel ist es, den Alltag von Epilepsie-Betroffenen und deren Situation in der Gesellschaft nachhaltig zu verbessern.
www.epi.ch

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Ganz herzlichen Dank für diesen spannenden und wertvollen Beitrag, liebe Frau Franke!