Interview mit Dr. med. Simon Feldhaus

Text & Interview: Petra Müller

Meine persönliche Geschichte führte mich im Sommer 2015 zu Dr. med. Simon Feldhaus. Einige Monate zuvor hatte ich einen Artikel über den amerikanischen Koch Seamus Mullen gelesen, der wie ich rheumatoide Arthritis hat und der seine Krankheit dank einer Darmsanierung und Ernährungsumstellung geheilt hatte. Das wollte ich auch! Ich machte mich also auf die Suche nach einem Arzt oder einer Ärztin, die mich dabei begleitete.

Als erstes fragte ich meinen damaligen Rheuma-Spezialisten. Er selbst kannte sich mit der Thematik nicht aus und beteuerte mir, dass „die Schweiz diesbezüglich noch nicht so weit sei“. Etwas naiv dachte ich, dass mir dann wohl ein Gastroentologe weiterhelfen könne, also ein Magen-Darm-Spezialist – aber auch diese Idee erwies sich als wenig realistisch. Ernüchtert stellte ich fest, dass man in der klassischen Schulmedizin tatsächlich noch nicht soweit war, meine Arthritis mit einer Darmsanierung anzugehen. Und dies, obwohl man in den Medien inzwischen täglich von neuen Erkenntnissen und Zusammenhängen zwischen Krankheiten und der Darmflora lesen kann.

Glücklicherweise befasste ich mich damals gerade mit der Gründung des Vereins Food Movement und lernte Beatrice Savoldi kennen, die inzwischen unserem Vorstand angehört. Beatrice kennt sich zwar selbst auch sehr gut mit der Darmflora aus, empfahl mir jedoch, mit Dr. Feldhaus Kontakt aufzunehmen.

Die Reise nach Baar zur Paramed nahm ich gerne in Kauf. Als ich Dr. Feldhaus dann endlich gegenüber sass, wusste ich, dass wird jetzt richtig gut. Wieso? Weil Herr Feldhaus mir als Patientin die volle Aufmerksamkeit schenkte, gut vorbereitet war und meine Krankengeschichte kannte, weil er schnell denkt und auf meine Fragen so antwortete, dass ich begriff, worum es geht. Er machte mir keine Heilsversprechungen und zählte Möglichkeiten auf, zu denen ich auch etwas zu sagen hatte. Ohne Druck, ohne Dogma, ohne Besserwisserei. Halleluja!

Im Herbst 2016 erlebte ich Dr. Feldhaus am SNE-Symposium in Solothurn, ich sass aufmerksam im Publikum, während mein Darm dank Herrn Feldhaus glücklich vor sich hinsanierte. Dort sagte er etwas, das ihn mir noch sympathischer und glaubwürdiger machte: Man solle stets alles Neue offen betrachten und ehrlich werten. Aus meiner eigenen Krankheitsgeschichte und meinen Erfahrungen und Recherchen weiss ich, wie schwierig es sein kann, sich von Ansichten und vermeintlich bewährten „Regeln“ zu trennen, wenn man mit neuen Studien und Erkenntissen konfrontiert wird. Nichts leichter, als sofort ein überdimensionales ABER auffahren zu lassen.

Diese Aussage von Dr. Feldhaus gefällt mir so gut, dass sie quasi ein Mantra von mir wurde: Immer schön offen bleiben für Neues!

Es freut uns sehr, dass Herr Feldhaus zu den ideellen Unterstützern von Food Movement gehört. Und jetzt hat er das Wort.

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Lieber Herr Feldhaus, Sie sind einer der eher seltenen Spezies von Schulmedizinern, die auch eine Ausbildung als Heilpraktiker haben. Dazu sind sie u.a. TCM- Schmerztherapeut und Spezialist für orthomolekulare Medizin. Was hat Sie dazu bewogen, nach einer so strengen und langjährigen Ausbildung nochmals Weiterbildungen anzupacken?
Ich habe meine naturheilkundlichen Ausbildungen sogar schon während des Medizinstudiums angefangen und später dann weitergeführt.

Geprägt durch die Familie (mein Vater ist Arzt und hat auch schon Akupunktur etc. gemacht) war mir von Anfang an klar, dass die rein schulmedizinische Sichtweise nicht  ausreichend ist. Und im Verlauf des Studiums hat sich das bestätigt, es braucht mehr und andere Ansichten, um Patienten wirklich individuell betreuen zu können und ihnen gerecht zu werden.

Was sind für Sie derzeit wichtige Themen in Sachen Ernährung und Gesundheit?
Einerseits halte ich es für absolut entscheidend, den Menschen zu zeigen, dass die Qualität der Nahrungsmittel die Basis von allem darstellt.

Beim Fleisch ist wichtig, wie die Tiere gehalten werden etc. und da gibt es ganz tolle Qualität in der Schweiz, nur muss man auch bereit sein, dafür etwas zu investieren (z.B. Kabier Fleisch [Anm. d. Red.: Fleisch von Rindern, die u.a. spezielles Futter erhalten und täglich massiert werden]).

Zu bevorzugen ist der Direktbezug beim Bauern (z.B. für Milch) anstelle alles im Grossverteiler zu beziehen.

Auch die Zubereitung der Nahrungsmittel ist ein wichtiger Punkt, da bei falscher Zubereitung wichtige Inhaltsstoffe zerstört werden.

Allgemein ist es ganz wichtig, das Bewusstsein für die Ernährung zu unterstützen und die ganzen zum Teil sektenartigen Empfehlungen aufzulösen. Es kann nicht „DIE“ gesunde Ernährung geben, sondern sie ist immer individuell auf die Person zugeschnitten. Nicht jeder Mensch ist Vegetarier und nicht jeder Mensch muss Fleisch essen.

Es muss mit mehr Wissen gearbeitet werden als mit „Religion“ und „Fanatismus“.

Kennen Sie Krankheiten oder Beschwerden, bei denen man nicht mit spezifischer Ernährung oder Nährstoffen Einfluss nehmen kann?
Nein, Einfluss nehmen kann man immer. Die Frage ist, ob die Krankheit direkte Ursachen in der Ernährung hat – das ist sicher nicht bei allen Krankheiten so.

Bei den Nährstoffen ist es etwas anders. In der heutigen Zeit sehen wir in sehr vielen Fällen doch teilweise erhebliche Mängel, wenn man Laborkontrollen macht. So ist der Vitamin D-Spiegel oder der Gehalt an den Omega 3-Fettsäuren in ca 80 % der Schweizer Bevölkerung ein Problem. Daher ist hier in fast allen Fällen von Krankheiten oder Befindlichkeitsstörungen eine Intervention angebracht.

Bei einem Vortrag von Ihnen durfte ich erleben, dass Sie beim Thema Zucker leidenschaftlich werden. Was können Sie uns dazu sagen?
Zucker, oder genauer gesagt die schnell-verwertbaren Kohlenhydrate, sind ein absolut grosses Thema der heutigen Zeit. Wir leben heute mit einer viel zu hohen Zufuhr dieser schnell verwertbaren und somit den Insulinspiegel nach oben treibenden Kohlenhydrate. Dies hat dramatischen Folgen für den Stoffwechsel.

Durch die dauerhaft zu hohen Insulinwerte kommt es zur Ausbildung der Insulinresistenz. Dies führt in letzter Konsequenz dann zu einer Unterversorgung der Zelle mit Zucker bei zu viel Zucker ausserhalb der Zelle. Dadurch kann die Zelle weniger Energie produzieren, was dann wiederum zu Folgeproblemen führen kann. Aber auch der Darm, die Darmflora und die Darmzotten werden durch zu viele Kohlenhydrate in Mitleidenschaft gezogen. Eine Energiestörung im Gehirn kann letztendlich dann auch in eine Form der Demenz münden.

Gibt es Ihrer Ansicht nach spezifische Ernährungs-„Regeln“, die Sie  als besonders wichtig und/oder wirksam erleben?
Grundsätzlich wäre die „Steinzeit-Ernährung“ oder auch „Paleo Diet“ sicher eine der sinnvollsten Ernährungsformen, da sie unserem Stoffwechsel und der genetischen Voraussetzungen am nächsten kommt. Wir sind immer noch sehr nahe am Neandertaler diesbezüglich. Die „modere Ernährung“ mit viel zu vielen Kohlenhydraten, Getreideprodukten und „falschen Fetten“ führt schnell zum Wohlstandssyndrom, dem sogenannten metabolischen Syndrom.

Daher:
– Produkte mit weniger Kohlenhydraten
– Eiweiss und gesunde Fette (vor allem die Omega 3-Fettsäuren)
– Ballaststoffe
– Farbiges Gemüse und Beeren
– Gesundes Fleisch von Tieren aus natürlicher Haltung

Der Mensch lebt nicht von dem, was er isst, sondern von dem, was er verdaut. Daher auch den Darm und die Verdauung nicht vergessen.

Haben Sie  persönlich positive Erfahrungen mit einer bestimmten Ernährungsweise gemacht?
Ja, mit der Low Carb Ernährung/Paleo Diet im Allgemeinen und besonders gut mit der Ernährung nach Dr. Coy in der Onkologie.

Welche sonstigen Faktoren, abgesehen von der Ernährung, erachten Sie als wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden?
– Bewegung
– Spass und Freude
– Genuss
– Möglichst wenig Stress

Was möchten Sie Food Movement auf den Weg mitgeben?
Nie den Elan verlieren und sich nicht von Hemmnissen aufhalten lassen. Und diejenigen, die immer sagen „dass es nicht geht“ sollen die in Ruhe lassen, die es tun.

Verraten Sie  uns noch Ihr Lieblingsessen?
Rheinischer Sauerbraten!

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